In meinem Beitrag vom 26. August 2021 habe ich auf eine Studie des EMBL in Heidelberg aus dem Jahr 2018 hingewiesen, die in der Zeitschrift „nature“ veröffentlicht wurde.
Jetzt gibt es ein Update dazu, das im September 2021 ebenso in „nature“ veröffentlicht wurde und gleichfalls aus der Schmiede der Heidelberger Forscher stammt:
Die Aussage wird jetzt noch klarer:
Medikamente haben einen starken Einfluss auf das Mikrobiom und ebenso umgekehrt. Der Umkehrschluss blieb in der ersten Studie noch eher als Vermutung im Raum stehen.
In der neuen Veröffentlichung wird formuliert, dass Darmbakterien die Verfügbarkeit und Wirksamkeit von Medikamenten modulieren.
Der schon bekannte Hauptmechanismus ist die chemische Umwandlung von Arzneimitteln durch Darmbakterien, die mit Biotransformation benannt ist. Doch es kommt etwas Neues hinzu:
Die Bioakkumulation
Untersucht wurden 15 verschiedene Medikamente auf ihre Reaktion auf 25 Darmbakterienstämme. Dabei wurden 70 verschiedene Bakterien-Medikament Wechselwirkungen festgestellt, von denen 29 noch nicht bekannt waren.
Mehr als die Hälfte der neuen Wechselwirkungen sind eben jenem anderen Mechanismus zuzuschreiben: der Bioakkumulation.
Das heißt, Bakterien speichern das Arzneimittel intrazellulär, ohne es chemisch zu verändern und in den meisten Fällen auch ohne in ihrem Wachstum beeinträchtigt zu werden.
Zum Beispiel bei Duloxetin, einem herkömmlichen Antidepressivum, stellten die Forschenden fest, dass das Medikament an mehrere Stoffwechselenzyme bindet und die Metabolitensekretion der Bakterien verändert.
Dies geschah nicht nur im Labor, sondern auch im Tiermodell.
Diese Bioakkumulation durch Darmbakterien kann ein Mechanismus sein, der sowohl die Arzneimittelverfügbarkeit als auch den Bakterienmetabolismus verändert. Dies kann Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Mikrobiota haben, ebenso auf die Pharmakokinetik, die Nebenwirkungen und Arzneimittelreaktionen. Und dies tatsächlich, wie in der Studie von 2018 angenommen, individuell unterschiedlich.
Die Folgen für die einzelnen Patient*innen könnten enorm sein. Möglicherweise führt diese Forschung dazu, dass künftig Therapien auf das Mikrobiom der Betroffenen abgestimmt werden. Das ist freilich noch Zukunftsmusik. Vor allem dann, wenn man bedenkt, dass ja oft verschiedenste Medikamente eingenommen werden. Auf jeden Fall wird die Komplexität der Zusammenhänge zwischen Arzneimitteln und Mikrobiom immer deutlicher, wenn auch nicht unbedingt leichter.
Doch könnten so Medikamente in ihrer Wirkung besser ausgeschöpft, und zudem Nebenwirkungen reduziert werden. Dies ist ein Hoffnungsstreifen am Horizont, vor allem für schwer chronisch kranke Menschen, die von Krebs, Diabetes und chronisch-entzündlichen Erkrankungen sowie Autoimmunerkrankungen betroffen sind.
Und hier gehts zur Studie:
Hier die Zusammenfassung auf deutsch: