Darmbakterien und Antidepressiva

Darmbakterien können die Wirksamkeit von bestimmten Medikamenten modulieren. In einer neuen Veröffentlichung des EMBL in Heidelberg gehts um Antidepressiva.

In einem meiner früheren Artikel bin ich auf die Frage eingegangen, welche nicht-antibiotischen Medikamente der Darmflora schaden könnten.

Intensiv untersucht werden die Zusammenhänge zwischen Medikamenten und Darmmikrobiom von Wissenschaftler*innen des European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg. Nun liegt hier eine neue Veröffentlichung im Fachjournal „Nature“ vor, die in Zusammenarbeit mit der University of Cambridge entstanden ist.

Hier meine Zusammenfassung:

Offensichtlich ist es so, dass Darmbakterien die Wirksamkeit von bestimmten Medikamenten modulieren. Insgesamt wurde die Aufnahme von 15 unterschiedlichen Medikamenten durch 25 Bakterienstämme untersucht. Es wurden dabei 70 Wirkstoff-Wechselwirkungen festgestellt, und davon waren immerhin 29 noch nicht bekannt.

Mehr als die Hälfte dieser Wechselwirkungen sind der Bioakkumulation zuzuschreiben. Das heißt, dass die Bakterien den Wirkstoff intrazellulär speichern. Sie verändern es einerseits chemisch nicht und ebenso wenig wird dadurch das Wachstum der Bakterien beeinflusst.

Ein Beispiel ist Duloxetin, ein gebräuchliches Antidepressivum, das zur Gruppe der selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer gehört.

Im Fall von Duloxetin ist es so, dass es an mehrere Stoffwechselenzyme bindet und die Metabolitensekretion verändert. Es werden vermehrt Metabolite freigesetzt, die das Wachstum anderer Bakterienarten fördern. Somit wird am Ende das Gleichgewicht der Bakterien verschoben.
Untersucht wurden schließlich Fadenwürmer, die mit jenen Bakterien behandelt wurden, die sich durch Duloxetin veränderten. Die Fadenwürmer zeigten ein anderes Verhalten als vor der Behandlung. Die Bioakkumulation schwächte in dem Fall offenbar die Verhaltensreaktion auf Duloxetin ab.

Als Resümee kann gezogen werden, dass die Bioakkumulation in Darmbakterien ein genereller Mechanismus sein könnte, der nicht nur die Verfügbarkeit von Medikamenten beeinflusst, sondern auch den bakteriellen Stoffwechsel. Auswirkungen sind dann zu erwarten auf die Zusammensetzung des Mikrobioms, die Pharmakokinetik, auf Nebenwirkungen und auf das Ansprechen auf Medikamente. Und zwar individuell unterschiedlich.

Quellen:

https://www.nature.com/articles/s41586-021-03891-8

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/arzneistoffe-koennen-in-darmbakterien-akkumulieren-127977/

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