Da beißt sich doch die Katz in den Schwanz:
Eine einseitige Ernährungsweise verkleinert die Vielfalt des Mikrobioms. Das wiederum will dann vom wenigen mehr und ruft nach immer den gleichen Speisen. Schließlich wollen die einzelnen Bakterienstämme wachsen und gedeihen und ihr Lieblingsfutter genießen.
Du bist, was Du isst
Wer also gerne – übertrieben gesagt – Weißmehl und Süßes isst, dessen Mikrobiom wird sich darauf einstellen und vor allem Süsses immer wieder haben wollen. Das Problem dabei: die Darmflora sollte möglichst viel Diversität aufweisen. Das trägt zu unserer Gesundheit bei und schützt uns vor Entzündungen in chronischen Erkrankungen.
Bakterien passen sich an die verfügbare Nahrung an, d.h.: das Ökosystem im Darm passt sich an das an, was auf den Tisch kommt.
Jeder Mensch hat in diesem Sinne eine individuelle Mikrobiota. Die Unterschiede hängen stark von Alter, Geschlecht und offenbar auch der Ethnie ab. Und davon, was gegessen wird.
Wenn jemand nun eine gravierende Ernährungsumstellung vornimmt, zum Beispiel vom Fleischesser zum Veganer konvertiert, dann verändert sich auch das Mikrobiom. Und das sogar recht schnell. Wenn dieser Mensch dann wieder in seine „normalen“ Gewohnheiten zurückfällt, dann verändert sich auch das Mikrobiom wieder, und zwar in die altbekannte Situation.
Dies erklärt auch, warum Patient*innen nach einer Darmsanierung inclusive drei- bis sechsmonatiger Gabe von Milchsäurebakterien und einer begleitenden Ernährungsumstellung wieder die altbekannten Symptome entwickelt, wenn danach sie danach wieder in frühere Gewohnheiten zurückfallen.
Die Mikrobiomanalyse kann’s:
Laut Forschung hinterlassen langfristige Ernährungsgewohnheiten ihren Fingerabdruck im Mikrobiom. In einer Mikrobiomanalyse kann dieser Fingerabdruck präzise analysiert werden. Dieser wird in Enterotypen zusammengefasst: je eine Gruppe von Bakterien, die gemeinsam mit einem bestimmten metabolischen Erscheinungsbild einhergehen, bzw. dieses direkt beeinflussen. Sie lassen Rückschlüsse auf langfristige Ernährungsgewohnheiten zu.
Man gelangt sogar zu einer Einschätzung mikrobiomassoziierter Erkrankungsrisiken. Dies sind kostbare Informationen, jedoch erfordert es Geschick, sie der Patientin oder dem Patienten so zu erklären, dass sie nicht erschrickt.
Beeindruckende Facts zum Mikrobiom:
1000 Bakterienarten sind beschrieben, davon bilden ca. 160 das individuelle Kernmikrobiom. Die Masse unseres Ökosystems im Bauch beträgt (inclusive Viren und Archaeen) sage und schreibe 1,5kg.
Das ist in etwa das 100-fache des menschlichen Genoms.
Ein Gesunder hat durchschnittlich 300 – 500 Bakterienspezies, ein Morbus Crohn Patient hat beispielsweise nur noch 30.
Diversität ist ein Maß für ein stabiles Mikrobiom und im Grunde auch für die Gesundheit.
Übrigens reduziert sich auch durch eine Kaiserschnittgeburt von vornherein die Vielfalt des Mikrobioms, und man hat festgestellt, dass dies im Erwachsenenalter Konsequenzen haben kann: es bildet sich eher eine Adipositas aus und in deren Folge auch eine diabetische Stoffwechsellage.
Die Dick- und Dünnmacher
Eine Gewichtzunahme bis hin zu einer Adipositas ist oft begleitet mit einem erhöhtem Auftreten von Firmicutes. Interessanterweise verschiebt sich durch sie die Produktion der kurzkettigen Fettsäuren hin zu Propionat, bei schlanken Menschen ist das jedoch eher das Butyrat.
Die Stoffwechselpiloten
Akkermansia muciniphila, Faecalbacterium prausnitzii, Lactobacillus gasseri. Sie stehen im Ruf, an der Regulierung von Körpergewicht, Blutzucker und Entzündungsparametern beteiligt zu sein.
Akkermansia und F. prausnitzii werden Sie in keinem Produkt vorfinden, denn sie wachsen streng anaerob. Sie sind Ballaststoff-Fermentierer und Butyratbildner und können gut mit resistenter Stärke, Typ 3, „angefüttert“ werden.
L. gasseri jedoch ist ein Stamm, den wir in Probiotika durchaus vorfinden. Wer Gewicht reduzieren möchte, sollte darauf achten, dass dieser Keim im Probiotika der Wahl enthalten ist.
Am Ende des Tages ist die Frage des Mikrobioms derart komplex, dass wir hier noch viele Überraschungen erleben werden. Jede einzelne Bakterienart interagiert mit dem gesamten Ökosystem und das Mikrobiom interagiert ebenso mit jedem Stamm. Ein wenig ist es so, als wollte man die Komplexität des Regenwaldes verstehen. Auch keine leichte Aufgabe. Und wenn wir mit einem Kännchen gute Darmbakterien über diesen Regenwald gießen, ist letztendlich nicht gewiss, was damit zu erreichen ist.
Der konkrete Bezug einzelner Stämme zu so multifaktoriellen Erkrankungen wie Diabetes oder gar Krebs wird hoffentlich in den nächsten Jahren klarer werden. Noch können wir das Mikrobiom durch die Ernährung über das, was ich oben beschrieben habe, nicht konkret lenken. Aber immerhin gibt es einen Silberstreif am Horizont.
Eingangs sagte ich, dass eine eingeschränkte Ernährung das Mikrobiom in seiner Vielfalt begrenzt und welche gesundheitlichen Folgen das haben kann. Seit fünfzig Jahren steigt die Tendenz zu einseitiger (und mehr industriell gefertigter) Ernährung, damit einher geht der Anstieg von Diabetes 2 und Adipositas. Hier schließt sich eindeutig ein Kreis, in dessen Mitte auch die Darmflora mitspielt.
Im Falle von Diabetes, Adipositas & Co: eine gute Versorgung mit denjenigen Ballaststoffen, die zu Butyrat fermentiert werden, eine vielseitige, abwechslungsreiche Ernährung, Milchsäurebakterien mit relativ großer Diversität von 10 bis 15 Stämmen sind sicherlich das Gute, was zum heutigen Stand getan werden kann.
Zum Schluss noch eine Anmerkung: 60g Ballaststoffe pro Tag wirken protektiv auf den Dickdarm. Das ist schon eine ganze Menge und mit Weißmehl, Zucker und Nudeln nicht zu schaffen.
Und hier, wie immer, ein paar interessante Links:
https://www.aerzteblatt.de/archiv/177992/Das-Mikrobiom-Einfluss-auf-Adipositas-und-Diabetes